Martin Rosner will dem Betrachter bei seinem Projekt mit großformatigen Fotografien Freiraum und Freiheit geben.
Das kulturelle Jahresthema Regensburgs stand heuer unter dem Motto „Stadt und Glaube“. Etliche Kunstschaffende haben sich mit Projekten daran beteiligt. Zum Abschluss ist nun in der Säulenhalle des Thon-Dittmer-Palais vor dem Eingang zum Haidplatz-Theater eine sehr schöne Ausstellung mit Arbeiten des Foto-Künstlers Martin Rosner zu sehen, die auf den Kern des Themas ausgerichtet ist. „Gottes Haus“ ist ihr Titel. Eine ungewöhnliche Ruhe geht von den großformatigen Fotografien aus. Sie hängen nicht nur an den Wänden, sondern einige von ihnen auch frei in der Halle und fügen sich zu einem Ensemble zusammen, ohne die Halle zu überlasten. Sie konstituieren jeweils ihren eigenen Umraum, und können doch mit den anderen Fotos in Dialog treten.
Über viele Monate hinweg hat Rosner das Projekt entfaltet. Zuerst durch Gespräche mit den Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen in Regensburg und Fragen zu ihrer Auffassung über das Haus Gottes, den sakralen Gebetsraum. Dezent sind einige dieser Äußerungen in Schriftform an den Wänden angebracht. Hier zwei Beispiele: „Alles was kleinlich, nichtig und vergänglich ist, verschwindet aus der Seele, und die Seele tritt in Berührung mit der Ewigkeit.“ Oder: „Im Kirchenraum bitte nicht Facebook nutzen und nicht rauchen.“ Zwölf Fotos von Regensburger sakralen Räumen sind zu sehen: katholische und evangelische Räume, ein orthodoxer, ein jüdischer, ein islamischer und ein buddhistischer Raum.
Natürliche Ausstrahlung
Die Aufnahmen entstanden mit analoger Kamera, denn auch das Fotografieren selbst sollte nichts Schnelles, Reißerisches oder Vorübergehendes haben, sagt Martin Rosner, sondern die kontemplative Einstellung mit enthalten. Menschen sehen wir auf diesen Farbfotografien nicht. Denn um die Räume und ihre Wirkung geht es bei diesem Projekt. Rosners Fotos verwehren und irritieren nicht den Blick, sondern geben ihn frei und öffnen ihn für das Allerheiligste in diesen Räumen, was immer dies jeweils sein mag. Wie sehen solche Räume aus, welche Atmosphäre geht von ihnen aus, sind es Herrschafts- oder eher wohnliche Räume, sind es alte, geschichtsträchtige, mit umfangreichen religiösen und rituellen Traditionen behaftete oder zeitnahe, asketische Räume? Bewusst hat MartinRosner auf den Einsatz künstlichen Lichts verzichtet und die Räume in natürlicher Ausstrahlung aufgenommen. Manchmal wirkt das überbelichtet, dann liegt ein Hauch von Symbolik des Transzendenten über den Bildern: Wie eine schlichte Neonröhre doch wirken kann.
Nicht Rosners subjektiver Blick, nicht seine eigene Einstellung oder sein persönliches Empfinden sind maßgebend. Deshalb hat er jeden der Räume von derselben Kameraposition aus, und zwar zentralperspektivisch und überblickshaft fotografiert. Auch dies trägt zur ruhigen, gesammelten Wirkung bei. Und die stets gleiche Blickrichtung macht die Räume einerseits vergleichbar und lässt dabei die Unterschiedlichkeit deutlich werden. Auch auf eine Betitelung der Fotos hat er verzichtet, wir erfahren nicht, um welche Räume es sich handelt, und wo in Regensburg sie sich befinden, obwohl man natürlich manches wiedererkennen wird. Ein ökumenischer Gedanke liegt über dem Ganzen. Eine friedliche, koexistierende Idee des Sakralen und Transzendenten vereint die sehr unterschiedlichen Ansichten.
Beidseits betrachtbare Bilder
Ein kleiner Essay von Pfr. i. R. Dr. Gustav Rosenstein führt in die Geschichte von Gottes Häusern seit ihren Anfängen ein. Das lässt den Betrachter manches, was er sieht, besser erfassen. Gottes Haus: Es verbindet das Sichtbare, Irdische mit dem Unsichtbaren, und gibt den Transzendenz-Erfahrungen des Menschen einen eigenen Ort. Die Fotos sind auf transparente Acrylglasplatten gedruckt, und die vier Bilder, die in der Mitte der Halle hängen, sind beidseits betrachtbar. Diese buchstäbliche Durchsichtigkeit verweist noch einmal auf eine Ebene der Transzendenz.
Die Ausstellung hat nichts Geschmäcklerisches. Rosner geht es um die Raumerfahrung und nicht um eine Inszenierung, die sich davor schieben könnte. Diese Ausstellung steht in einer langen Tradition von Fotografie nicht als eines subjektiven Ausdrucks oder als einem Festhalten des einen, wesentlichen Augenblicks, sondern in der Tradition der Dokumentation. Der Fotograf verzichtet zwar nicht auf ein Konzept – ganz im Gegenteil – aber das Konzept besteht darin, sich zurückzunehmen, die Dinge für sich sprechen zu lassen und dem Betrachter Freiraum und Freiheit zugeben.